Brigitta Heidtmann

Brigitta Heidtmann
geb. 1960 in Bergneustadt
lebt und arbeitet in Krefeld

 

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Zyklus zur Musik von Schostakowitsch, 8 Blätter

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Ausschnitte Zyklus zur Musik von Schostakowitsch, 8 Blätter
1995
farbige Zeichnungen und Collagen/Packpapier
36,5 x 36,5 cm (4 Blätter); 76,5 x 37cm (4 Blätter)

Ausstellungsort
Kreishaus, 4. Obergeschoss, „Galerie“

Bildtext

Das Blatt ist bis auf den oberen ovalen weißen Teil schwarz ausgemalt. Es könnte sich um die stark abstrahierte Darstellung einer großen Trommel, Pauke oder Conga handeln.

 

  

Bildtext

Das obere Drittel des Blattes ist ausgefüllt mit der colorierten Zeichnung zweier Schalltrichter von Blechblasinstrumenten, vielleicht stilisierten Trompeten oder Fanfaren, die ausschnitthaft dargestellt sind.

 

Brigitte Heidtmann "Ausschnitte Zyklus zur Musik von Schostakowitsch"

Bildtext

Im oberen Abschnitt der Collage sieht man sechs skizzierte große Trommeln oder Pauken mit Paukenschlegeln. Aufgeklebt wurden Papierausschnitte mit Violinschlüssel und der Name „Gogol“. Durch Scherenschnitt entstandene Hals und Schnecke eines Kontrabasses wurden auf das Blatt montiert. Mit den aufgebrachten schwarzen Balken könnte ein Xylophon oder Marimbaphon gemeint sein. Der das hochformatige Blatt in der Mitte durchteilende Schriftzug „HOCH/8“, verweist auf die Versetzung einer Oktave.

 

Brigitte Heidtmann "Ausschnitte Zyklus zur Musik von Schostakowitsch"  

Bildtext

Eine skizzierte, wohl weibliche Person mit roter Krone, Instrumente, ein Messer und aufgebrachte Noten sind in scheinbar ungeordneter Anordnung auf dem Blatt verteilt.

 

Brigitte Heidtmann "Ausschnitte Zyklus zur Musik von Schostakowitsch"

Bildtext

Raumfüllend erstreckt sich folgender in schwarz handgeschriebener Text über die gesamte Bildfläche: VOM ERSTEN AUGENBLICK AN WIRD DER ZUHÖRER DURCH EINEN STROM BEWUSST MISSTÖNENDER KLÄNGE ERSCHRECKT. FRAGMENTE EINER MELODIE WERDEN ERTRÄN (hier endet das Fragment, das einem Pamphlet des sowjetischen Parteiapparates gegen Schostakowitsch entnommen wurde)

Formal lässt sich das Blatt in zwei Bildhälften teilen: Die diagonale Grenze verläuft durch einen skizzierten Cellisten, der sich im Bildvordergrund befindet. Im oberen schwarzen Dreieck sind weitere Musiker, wahrscheinlich Geiger angedeutet. Unten rechts wurde ein Papierstück eines Notenblattes mit Viertelnote aufgeklebt.

   

  

Bild 2 und 3   (quadratisch) fehlen

Bildtext

Der handschriftliche Schriftzug „Lady Macbeth von Mzenk“ zitiert die gleichnamige Oper. Weiterhin sind auf dieser Collage zusätzlich zu Noten, Buchstaben und ähnlichem eine (weibliche) Person mit Krone, Blasinstrumente und eine Trommel erkennbar.
Das ansonsten freigelassene Blatt zeigt weiße Grundierungen für drei Personen. Zwei Figuren, ein Trommler und ein Violinist, wurden ausgeführt. Die Symbole Hammer und Sichel schmücken die Trommel.

Bildanalyse

„Das Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben lang gemartert haben, viele Seiten meiner Musik sprechen davon.“

Brigitta Heidtmann hat zwei verschiedene Formate für ihren Zyklus von 1995 gewählt. Jeweils vier Blätter sind quadratisch bzw. hochrechteckig. Während die Farbigkeit in ihrer Beschränktheit einheitlich ist (Schwarz, Weiß und wenige Anteile in Rot, Blau und Gelb auf braunem Packpapier), variieren in der Ausgestaltung Maß und Gestaltungsmittel der Blätter.

Dimitri Schostakowitsch (1906 - 1975) war ein vielseitiger Komponist, dessen Werk im totalitären Russland entstand. Dieser politische Zusammenhang wird durch die Symbolik von Hammer und Sichel auf einer Trommel aufgezeigt. Die sechs Trommeln, die mitsamt dazugehörigen Paukenschlegeln im oberen Bereich eines der Blätter dargestellt sind, dienen vielleicht als Hinweis auf das erste lange Schlagzeugsolo der europäischen Kunst in Schostakowitschs erster Oper „Die Nase“. Der erwähnte „Gogol“ war Schöpfer der surrealistischen Textvorlage für das Opernlibretto.

Aus seiner Oper „Lady Macbeth von Mzenk“, die auf einem der Blätter namentlich zitiert wird, erwuchsen dem Komponisten folgenschwere Konsequenzen: Nachdem sie zunächst von Kritik und Publikum gut angenommen wurde, kritisierte Stalin sie als chaotisch und zügellos. Daraufhin wurden weitere Aufführungen abgesagt und der Komponist musste trotz internationaler Erfolge um sein Leben und das seiner Familie fürchten. Bis heute wird seine Musik politisch von verschiedenen Seiten vereinnahmt. Aber das Werk von Schostakowitsch ist nicht nur im Hinblick auf die russische Geschichte des 20. Jahrhunderts von Bedeutung; in ihm werden Gefühle ausgedrückt, die verfolgte und unterdrückte Menschen auf der ganzen Welt wiedererkennen.

Einer der entscheidenden Unterschiede zwischen einem Gemälde und einem Konzert, zwischen visueller und auditiver Wahrnehmung liegt im Zeitfaktor: Bei der Bildbetrachtung kann man im Gegensatz zur Teilnahme an einem Konzert Geschwindigkeit und Zeitpunkt des Erlebnisses frei wählen. Durch verschiedenartige Ausgestaltung und den skizzenhaften Charakter der Blätter erzeugt die Künstlerin den Eindruck einer zeitlichen Abfolge, wie wir sie bei einem Konzert erleben. So vermutet man, dass das Blatt, auf dem lediglich zwei Trompeten- oder Fanfarenköpfe abgebildet sind, einen Moment beschreibt, in dem nur zwei Blasinstrumente zum Einsatz kommen. Mit Hilfe der Collagetechnik setzt Brigitta Heidtmann Musik also visuell um.

Menschen, die Farben hören oder Geräusche sehen können, nennt man Synästhetiker.¹  Jimi Hendrix beispielsweise verwendete zur Aufzeichnung von Melodien statt Noten verschiedene Farben. In der bildenden Kunst ordnete Wassily Kandinsky Anfang des 20. Jahrhunderts Formen Farben und Klängen zu. Aber auch Schostakowitsch selbst war diese sinnliche Übertragung nicht fremd: Er ließ sich durch Gemälde und Gedichte zu Arien und Symphonien inspirieren.

Die gebürtige Bergneustädterin Brigitta Heidtmann arbeitet vielseitig. Die ausgebildete Keramikerin und Plastikerin schafft auch Rauminstallationen und Illustrationen. 
 

 

¹ griech: syn = zusammen; aisthesis = Empfindung

 



Letzte Änderung: 02. Juni 201