Allgemeinverfügung des Oberbergischen Kreises vom 02.11.2020 für die Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingsunterkunft „Steinberghaus“ in Reichshof nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz)

Öffentliche Bekanntmachung

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Allgemeinverfügung des Oberbergischen Kreises vom 02.11.2020 für die Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingsunterkunft „Steinberghaus“ in Reichshof nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz)


Gemäß §§ 28 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 2 und 30 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) wird zur Verhütung der Weiterverbreitung und Bekämpfung von SARS-CoV-2 Virus-Infektionen folgende Allgemeinverfügung erlassen:

  1. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingsunterkunft „Steinberghaus“, Am Steinberg 7 in 51580 Reichshof werden verpflichtet, sich in den Räumlichkeiten ihrer Flüchtlingsunterkunft oder auf dem dazugehörigen abgegrenzten Freigelände
    ununterbrochen aufzuhalten.
     
  2. Die unter Ziffer 1 genannten Personen haben nicht notwendige physische Kontakte zu anderen Personen sowie soweit möglich auch untereinander zu unterlassen. Zudem haben sie einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, es sei denn, das Tragen ist mit anderen Aktivitäten unvereinbar, insbesondere mit der Nahrungsaufnahme oder dem Schlafen.
     
  3. Die unter Ziffer 1 genannten Personen werden weiterhin verpflichtet, sich einer ärztlichen Beobachtung durch das Gesundheitsamt des Oberbergischen Kreises zu unterziehen; dazu gehört die Symptomabfrage durch das Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt des Oberbergischen Kreises trifft aufgrund der Untersuchungsergebnisse die notwendigen weiteren Maßnahmen.

    Sie sind ferner verpflichtet, sich zweimal täglich die Körpertemperatur zu messen und die Ergebnisse zu dokumentieren.
    Falls Fieber über 38°C und/oder folgende Beschwerden
    • Verlust bzw. Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinns
    • grippale Symptome (erhöhte Temperatur, Unwohlsein, Gliederschmerzen)
    • plötzlich auftretendes, schnell steigendes, hohes Fieber (über 38 °C)
    • Halsentzündung mit Kratzen, Husten und Heiserkeit
    • Atemprobleme
    • Kopfschmerzen
    • Infekt der unteren Luftwege (Husten/Lungenentzündung) ohne vorherigen Infekt der oberen Luftwege (Halsschmerzen oder ähnliches)
    • Entzündung beider Lungenflügel
    • in einzelnen Fällen auch eine Durchfallerkrankung
    • auftreten sollten, besteht die Verpflichtung, unverzüglich das Gesundheitsamt zu informieren.
       
  4. Das Betreten der unter Ziffer 1 genannten Flüchtlingsunterkunft ist allen dort nicht untergebrachten oder dort nicht beruflich tätigen Personen untersagt. Von dem Betretungsverbot ausgenommen sind Angehörige der Polizei, des Rettungsdienstes, des RescueServices, der Feuerwehr, des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Ordnungsbehörden und sonstiger vergleichbarer Berufsgruppen. Bei einem Betreten der Flüchtlingsunterkunft ist geeignete Schutzausrüstung zu tragen, insbesondere eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 oder höher.
     
  5. Etwaige Ausnahmen der unter den Ziffern 1 bis 4 angeordneten Maßnahmen bedürfen der vorherigen Zustimmung des Gesundheitsamtes des Oberbergischen Kreises.
     
  6. Wenn die unter Ziffer 1 genannten Personen geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, hat derjenige für die Erfüllung der genannten Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für die Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft die Betreuerin oder den Betreuer einer von den Verpflichtungen betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu dem Aufgabenkreis der Betreuung gehört.
     
  7. Die vorstehenden Anordnungen sind sofort vollziehbar.
     
  8. Diese Allgemeinverfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft und mit Ablauf des 16.11.2020 außer Kraft.


Begründung:

Allgemein:

Meine Befugnis als untere Gesundheitsbehörde (Gesundheitsamt) zur Anordnung dieser Maßnahmen ergibt sich gemäß §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 7 Satz 1, 2 Nr. 14 IfSG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz (ZVO-IfSG) aus Gründen der Eilbedürftigkeit sowie der unmittelbaren Gefahrenabwehr. Vor dem Hintergrund der in der Flüchtlingsunterkunft „Steinberghaus“, Am Steinberg 7 in 51580 Reichshof aufgetretenen COVID-19-Infektion (SARS-CoV-2) und der damit verbundenen drohenden Weiterverbreitung ist Gefahr im Verzug gegeben. Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass sich der Erreger ohne die unverzügliche Einleitung von geeigneten Gegenmaßnahmen rasant ausbreitet und eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung, insbesondere für die zu der Risikogruppe gehörenden älteren und vorerkrankten Menschen, darstellt.

Zu 1.:
Die Anordnung, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingsunterkunft „Steinberghaus“, Am Steinberg 7 in 51580 Reichshof für die Gültigkeitsdauer der Allgemeinverfügung in den Räumlichkeiten der Flüchtlingsunterkunft oder auf dem Freigelände aufhalten müssen, stützt sich auf §§ 28 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz und 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG. Nach diesen Vorschriften können Personen, namentlich Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider, verpflichtet werden, den Ort, an dem Sie sich befinden, nicht zu verlassen, bis die nötigen Schutzmaßnahmen durchgeführt sind. Unter anderem kann ihnen gegenüber angeordnet werden, dass sie in geeigneter Weise abgesondert werden.

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingsunterkunft sind allesamt krank bzw. ansteckungsverdächtig im Sinne des § 2 Nr. 4 und 7 IfSG. In der 44. Kalenderwoche ist eine Person aus diesem Personenkreis positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet worden. Diese Person hatte engen physischen Kontakt zu den übrigen Bewohnerinnen und Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft.

Eine Absonderung der Personen der Flüchtlingsunterkunft ist geboten, damit eine Über-tragung von Krankheitserregern auf andere Personen, insbesondere auf Personen des nahen Wohnumfeldes, so gering wie möglich gehalten wird.

Gegenüber einer Krankenhausquarantäne ist der auferlegte Aufenthalt in der gewohnten Umgebung der Flüchtlingsunterkunft das ersichtlich mildere der geeigneten Mittel.

Für den Fall, dass dieser angeordneten Absonderung nicht Folge geleistet wird, kann gemäß § 30 Abs. 2 IfSG zwangsweise eine Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses angeordnet werden.

Zu 2. und 3.:
Die in den Ziffern 2 bis 3 des Tenors dieser Allgemeinverfügung angeordneten Maßnahmen ergehen auf der Rechtsgrundlage der §§ 28 Abs. 1 i.V.m. 29 Abs. 1 und 2 IfSG.

Werden gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen. Diese Personen können insbesondere gemäß § 29 Abs. 1 IfSG einer Beobachtung unterworfen werden, haben den Anordnungen des Gesundheitsamtes Folge zu leisten und auf Verlangen über alle den Gesundheitszustand betreffenden Umstände Auskunft zu geben.

Die Anordnung, nicht notwendige physische Kontakte zu anderen Personen zu unterlassen, dient gleichermaßen dem Schutz der übrigen Bewohnerinnen und Bewohner sowie der dort beruflich tätigen Personen wie die Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Die in Ziffer 3 angeordnete Beobachtung ist erforderlich, um den Infektionsverlauf kontrollieren zu können und unverzüglich weitere notwendige und geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.

Die Maßnahmen stellen den verhältnismäßig geringsten geeigneten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen dar. Sie sind jedenfalls erforderlich, um das notwendige Maß des Infektionsschutzes gewährleisten zu können.

Zu 4.:
Das Betretungsverbot stellt eine weitere Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar. Das Betretungsverbot ergibt sich zwar mittelbar bereits aus den Absonderungsmaßnahmen der Ziffern 1 und 2. Denn abgesonderte Personen dürfen grundsätzlich keine anderen Personen empfangen. Jedoch ist aus infektiologischer Sicht die Anordnung eines unmittelbaren Betretungsverbots geboten, um auch die Personen außerhalb der Flüchtlingsunterkunft ausdrücklich zu verpflichten, die notwendige physische Trennung einzuhalten. Das Betretungsverbot berücksichtigt dabei die für den Betrieb der Flüchtlingsunterkunft und die Aufrechterhaltung der dortigen Sicherheit und Ordnung erforderlichen Ausnahmen.

Zu 5.:
Durch die Möglichkeit, für bestimmte Fallkonstellationen eine Ausnahmeregelung zu treffen, wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen.

Zu 6.:
Die Verpflichtung, dass die Personensorgeberechtigten bzw. die Betreuerinnen und Betreuer für die Einhaltung der Anordnungen dieser Allgemeinverfügung zu sorgen haben, ergibt sich aus §§ 28 Abs. 3 i.V.m. 16 Abs. 5 IfSG.

Zu 7.:
Die Allgemeinverfügung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG. Die Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung.

Zu 8.:
Die Gültigkeit dieser Allgemeinverfügung bis zum 16.11.2020 ist im Hinblick auf die Inkubationszeit des SARS-CoV-2-Erregers von bis zu 14 Tagen seit dem letzten relevanten Kontakt erforderlich, damit eine Weiterverbreitung der Infektion ausgeschlossen werden kann. Der letzte relevante Kontakt war am 02.11.2020. Sofern weitere Bewohnerinnen und Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet werden, wird die Gültigkeitsdauer unter Berücksichtigung der zeitversetzten Ansteckungszeitpunkte angepasst.

Hinweis:
Zuwiderhandlungen gegen Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung stellen eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG dar, die mit einer Geldbuße bis zu 25.000,00 € geahndet werden kann. Wer die Zuwiderhandlung vorsätzlich begeht und dadurch den SARS-CoV-2 Erreger verbreitet, begeht gemäß § 74 IfSG eine Straftat und wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Hinweis auf bestehende Rechte:
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln schriftlich einzulegen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten/der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu erklären.

Die Klage kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden.

Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung-ERVV) vom 24.11.2017.

Weiterer Hinweis:
Die Klage hat gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung, d.h. dass die getroffenen Maßnahmen auch im Falle einer Klage zu befolgen sind. Das Verwaltungsgericht Köln kann auf Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.


Gummersbach, 02.11.2020
gez.
Klaus Grootens
Kreisdirektor

Veröffentlichungsdatum: 02.11.2020